Geschmack von Rost und Knochen


Der fesche Ali (Matthias Schoenarts, Bullhead) ist ein echter Hallodri. Angenehm verantwortungslos lebt er in den Tag hinein und nimmt sich vom Leben, worauf er grad Lust hat. Doch dann stellt ihm das Schicksal ein Bein - Ali muss von einem Tag auf den anderen für Sam sorgen, seinen fünfjährigen Sohn, den er mit einer Zufallsbekanntschaft gezeugt hat.
Da das mit dem lockeren Lebenswandel nun nicht mehr so einfach ist, zieht Ali erst mal nach Südfrankreich zu seiner Schwester Anna, die als Supermarktkassiererin arbeitet. Irgendwie raufen sich die drei zusammen, Ali arbeitet als Disco-Türsteher, es entsteht fast so etwas wie eine kleine Familie. Dann trifft Ali die hinreißende Stéphanie (Marion Cotillard) - die er vor einem prügelnden Gast rettet. Stéphanie macht tiefen Eindruck auf ihn, und das beileibe nicht nur mit ihrem ungewöhnlichen Job: Sie ist Orca-Trainerin im örtlichen Meeres-Themenpark. Dennoch werden vorerst nur eher zufällig Telefonnummern ausgetauscht, mehr passiert nicht - der prollige Muskelprotz ist ein bisschen eingeschüchtert von der selbstbewussten, gebildeten schönen Frau.
Einen Monat später treffen sich die beiden erneut. Stéphanie hat Ali auf einmal einfach angerufen. Und es ist viel passiert seitdem: Stéphanie hatte einen schrecklichen Unfall, der sie schwer körperbehindert zurückließ. Ali ist das aber egal, er merkt schnell: Er will sie, wie sie ist, in welcher Form auch immer ...

"Ich wollte eine Filmsprache erreichen, die ich, weil mir dafür kein besseres Wort einfällt, "expressionistisch" nennen möchte. Ich wollte ein Melodram aus kraftvollen, brutalen und kontrastreichen Bildern schaffen, das eine ganz spezielle Ästhetik transportiert, die der dunklen Wahrheit einer Welt, in der Gott alles Halbgare einfach auskotzt." Wer die Filme von Jacques Audiard wie Der wilde Schlag meines Herzens oder Der Prophet kennt, weiß, dass der Franzose hier nicht große Worte klopft, sondern das Genie seines Films durchaus auf den Punkt bringt. Der Geschmack von Rost und Knochen lief unter großem Beifall heuer in Cannes im Wettbewerb und ist eine grandiose, wilde, fordernde und dazu noch unglaublich gut gespielte Liebesgeschichte, sexy, sinnlich und existenzialistisch, die Herz und Hirn gleichermaßen nachhaltig zu bewegen weiß.

Text: Kurt Zechner - skip.at