Fall Wilhelm Reich


"Reich hat einige faszinierende Erkenntnisse gewonnen, er hat der sexuellen Revolution weit vorgegriffen - und vor allem ist er wesentlichen Fragen nachgegangen, die gar nicht so überraschend sind, aber viel zu wenig gestellt werden: Was ist Leben? Warum sind wir hier? Wie können wir die Welt, wie sie ist, begreifen?" Filmemacher Antonin Svoboda (Regisseur und Gründungsmitglied des äußerst erfolgreichen österreichischen Produktionskollektivs coop99) beschäftigt sich seit Jahren mit dem faszinierenden Leben und Werk des österreichischen Wissenschaftlers Wilhelm Reich (1897–1957). Als einer der wichtigsten Vertreter der zweiten Generation der von Sigmund Freud begründeten Schule der Psychoanalyse, veröffentlichte er visionäre wie kontroversielle Werke wie Massenpsychologie des Faschismus oder Die Sexualität im Kulturkampf - und musste schließlich 1939 in die USA emigrieren.
Der Film behandelt seine letzten Jahre, als Wilhelm Reich (großartig: Klaus Maria Brandauer) wegen seiner ungewöhnlichen und freizügigen Therapiemethoden ins Blickfeld der Kommunistenjäger gerät. Also fühlt sich Reich gezwungen, erst in einer ehemaligen Farm in Maine seine neue Praxis zu eröffnen - dort in der Einschicht kann er relativ ungestört an seiner "Orgon-Therapie" arbeiten. Hierzu entwickelte Reich eigene Geräte, sogenannte "Orgon-Akkumulatoren", mit Metall ausgekleidete Holzkästen. Dass die Behörden mit der charismatischen Wissenschaftlerin Aurora (Birgit Minichmayr) längst eine Spionin in Reichs Klinik eingeschleust haben, ahnt er nicht - auch nicht Reichs Tochter Eva (Julia Jentsch), die ihrem Vater aus Wien nachgereist ist und sich immer mehr für seine Theorien begeistert. Im Gegensatz zu seiner ständig wachsenden Gegnerschaft, einer Front aus paranoiden Staatsbeamten und "traditionellen" Psychiatern, die in der Angst vor Reichs revolutionärem Potenzial zueinanderfinden. Und irgendwann findet sich ein Grund, Reichs Wirken endlich zu unterbinden - und der Wissenschaftler findet sich vor Gericht wieder, wo er sich gezwungen sieht, seine außergewöhnlichen Theorien vor hoffnungslos reaktionären Betonschädeln zu rechtfertigen …

Ursprünglich wollte Svoboda seine Geschichte über Reich in den USA an den Originalschauplätzen drehen. Nachdem durch die Krise jedoch das US-Independent-Kino (und somit potenzielle Geldgeber) wegbrach, wurde Der Fall Wilhelm Reich zur rein österreichischen Produktion. International hingegen blieb der ebenso eklektische wie großartige Cast: Neben dem großen Klaus Maria Brandauer glänzen u. a. Burg-Fee Birgit Minichmayr, der Berliner Schauspiel-Star Julia Jentsch, der mehrfach ausgezeichnete Schotte Gary Lewis (Billy Elliots Papa) und der US-Amerikaner David Rasche, bekannt als durchgeknallter Cop aus der 80er-TV-Kultserie Sledge Hammer.

Text: Gini Brenner - skip.at